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Sarah Nemtsov: SEPHIROT

»Sephirot« – hebräisch – steht in der jüdischen Mystik für die zehn göttlichen Emanationen des Baum des Lebens (Etz Chaim םייח ץע). Die Idee des Baum des Lebens ist sehr alt, erwähnt wird er bereits in der Bibel. Mit dem Aufkommen der mystischen Lehren, der Kabbala, wurden die Konzepte vertieft und über Jahrhunderte vor allem mündlich weitergegeben, als Lehre des Geheimen, verknüpft mit den kabbalistischen Schöpfungsmy- then – ein Versuch, das Ganze zu erfassen. Das Modell des Lebensbaums ist geometrisch organisiert und hat eine besondere Struktur, gegliedert von Ziffer 1 bis 10: 1 Keter (Krone), worüber nur das Unendliche wohnt, dem Göttlichen am nächsten – bis 10 Malchut (Königreich), der materiellen Welt am nächsten. Die zehn Emanationen / Sephirot sind über 22 Pfade miteinander verknüpft, oft in dynamischen Gegensatzpaaren einander gegenübergestellt, und stehen in ihrer Struktur für viele verschiedene Aspekte – sowohl für das Göttliche, das Spirituelle, als auch für Aspekte des irdischen Lebens. So werden den Sephirot nicht nur Attribute (wie Güte oder Gerechtigkeit) zugeordnet, auch Farben, Zahlen/hebräische Buchstaben, Welten, Engel, biblische Charaktere, Körperteile, Formen, männlich/ weiblich, sowie viele weitere Deutungen. (Und von allem gibt es auch noch eine Rückseite.)

 

Es gibt noch eine 11. Sephira: Da’at תעד das innere Wissen. Diese elfte Sephira ist quasi geheim, wird auch Nicht-Sephira oder Schein-Sephira genannt und soll die Balance zwischen allen gegensätzlichen Kräften und Attributen finden und gewährleisten. Harmonie.

 

Der Baum des Lebens ist durchaus widersprüchlich, in der Beschäftigung wird man kaum je an ein »Ende« kommen. Ein Baum, der im Himmel wurzelt. Mich persönlich fasziniert an den kabbalistischen Konzepten, dass sie einerseits sehr alt und gewissermaßen archaisch sind, zugleich sehr abstrakt, offen und modern. Viele Konzepte sind überraschend aktuell und relevant (neben dem Lebensbaum etwa die Idee der Schöpfung Tzimtzum als Kontraktion, Konzentration, um dem Entstehen des Anderen Raum zu geben, oder der Gedanke von Tikkun Olam – Heilung oder Reparatur der Welt als immerwährender Prozess, zu dem jede*r einen Teil beitragen sollte).

 

Kompositorisch setze ich mich seit ca. 2020 mit der Kabbala auseinander. Es sind mehrere Zyklen und Einzelwerke entstanden: die Tetralogie TZIMTZUM (2020-2023) für das Nikel Ensemble und Orchester, KADOSH (2021) für Violine solo und Elektronik, OR BAHIR (2023) für das Arditti Quartet, die Trilogie MA‘ALOT (2020-2024) für das Ensemble Musikfabrik (mit den Werken CHESED, KETER und MALCHUT) als Teil des Zyklus SEPHIROT. Die neuen Werke des Sephirot-Zyklus (alle 2024) sind aus dieser Trilogie für das Ensemble Musikfabrik erwachsen.

 

So ist eine Art Metazyklus über mehrere Jahre entstanden, in dem kompositorische Ideen über Doppelstriche weiterwirken konnten, eine künstlerische Herausforderung und Erneuerung für mich. Natürlich ist es vermessen, kabbalistische Konzepte zu »vertonen«. Unmöglich. Es war eine subjektive Annäherung – so habe ich auch Dinge konterkariert oder Fragen gestellt. Dabei muss man keine Kenntnis der Kabbala haben, um die Stücke zu hören oder zu »verstehen«. Am Ende sind es nur Klänge. Das ist das Wichtigste. Die Konzepte waren Inspiration für mich persönlich, sonst hätte ich diese Werke nicht auf diese Weise schreiben können.

 

Angesichts der immer katastrophaleren Lage der Welt, all der Zerstörung und Gewalt – man kann sich Walter Benjamins Engel der Geschichte in dieser Zeit denken – war diese künstlerische Beschäftigung vielleicht auch Trost oder Rückzug oder Rückhalt. (If only.)

 

G’VURAH (2024) für Kontrabass solo, verstärkt mit Effektpedalen – Motorik, inhärente Polyphonie, mikrotonale Bewegungen, wahre ‚Stärke‘ findet sich vielleicht erst in der Fragilität gegen Ende. Für Florentin Ginot.

 

BINAH.CHOCHMAH (2024) für Lupophon, Kontrabassklarinette mit Turntables – zwei einander gegenübergestellte bzw. miteinander verbundene Sephirot treffen aufeinander. Die tiefen Holzblasinstrumente sind wie zwei zu große Vögel, die einander zurufen und versuchen zu fliegen. Turntables als Kommentar oder Mediation. Gewidmet dem Ensemble Musikfabrik und Thomas Fichter.

 

NETZACH (2022/2024) Installation für Glaskubus, das Material für das Tape ist verbunden mit der Ensemblekomposition Chesed (2022) – die Installation kann (ad infinitum) für sich stehen oder hier als Übergang dienen. In memoriam Uli Löffler.

 

YESOD (2024) für Piccolo mit Radio und präpariertes (vermülltes) Drumset. Irgendwas zwischen Katastrophe, Struktur und Spiel. Die Piccoloflöte fast ein Metronom oder Monitorpiepsen oder MRT. Geschrieben für das Ensemble Musikfabrik, gewidmet meinem Sohn David (nächste Generation Hoffnung).

 

TIPHERET (2024) für E-Geige und Elektronik – atmende Klänge und Mikromelodien, zuweilen mit Effekten verfremdet – immer wieder wandern sie via Transducer in ein Donnerblech, ein magischer Spiegel, dort werden verborgene Spektren und Frequenzen hörbar, andere Schönheiten, raue, getrübte Oberflächen. Für Hannah Weirich.

 

HOD (2024) für Horn, Trompete und Tuba mit Objekten. Glänzende Instrumente, deren Strahlen kollabiert ist, gebrochen, umgekippt oder nach innen gefaltet. Ein paar Kästen rasseln seltsam. Es gilt den Weg zu finden. Für das Ensemble Musikfabrik

 

DA’AT (2024) für E-Gitarre solo. Nur Hände und das Instrument (und Fußpedale). Die Scordatur der Saiten ermöglicht besondere harmonische Klangräume. Ein inneres Wissen. Who by fire, who by water. Gewidmet und geschrieben für Yaron Deutsch.

(Sarah Nemtsov)

Biographie

Sarah Nemtsov

Sarah Nemtsov (*1980 in Oldenburg) studierte Komposition in Hannover und Berlin bei Nigel Osborne, Johannes Schöllhorn und Walter Zimmer- mann sowie Oboe bei Klaus Becker und Burkhard Glaetzner. 2007 entschied sie sich, die Oboe beiseite zu legen, um sich ganz der Komposition zu widmen. Die Erfahrungen als ausübende Musikerin waren aber sehr wichtig und prägen ihr Verhältnis zum »Musikantischen« in der Neuen Musik.

Ihre Musik ist geprägt von komplexen und energetischen Texturen, Schichtungen und Wechselwirkungen zwischen akustischen Instrumenten und Elektronik. Oft spielen Literatur oder andere Künste eine Rolle, oft auch politische oder soziale Themen.

Seit 2017 kümmert sich Sarah Nemtsov um den künstlerischen Nachlass ihrer Mutter, der Malerin Elisabeth Naomi Reuter. Seit dem WS 2022 ist sie Professorin für Komposition an der Universität Mozarteum Salzburg. 2025 wird sie mit dem Heidelberger Künstlerinnenpreis ausgezeichnet. Sarah Nemtsov lebt in Berlin mit ihrem Mann und drei Kindern.

Zu sehen ist ein Portriait der Komponistin Sarah Nemtsov. Sie sitzt in einer Wiese.
Sarah Nemtsov
© Camille Blake
Zu sehen ist ein Portriait der Komponistin Sarah Nemtsov. Sie sitzt in einer Wiese.
Zu sehen ist ein Portriait der Komponistin Sarah Nemtsov. Sie sitzt in einer Wiese.
Biographie

Ensemble Musikfabrik

Seit seiner Gründung 1990 zählt Ensemble Musikfabrik (Landesensemble NRW) zu den führenden Klangkörpern der zeitgenössischen Musik. Dem Anspruch des eigenen Namens folgend ist es Ensemble Musikfabrik ein besonderes Anliegen, neue Werke in Auftrag zu geben und zu produzieren. Die Ergebnisse dieser häufig in enger Kooperation mit den Komponist*innen geleisteten Arbeit präsentiert das in Köln beheimatete internationale Solistenensemble in zahlreichen Konzerten im In- und Ausland, auf Festivals, in den selbst veranstalteten Konzertreihen „Musikfabrik im WDR“ und “Montagskonzerte” und in Audio-und Videoproduktionen. Bei Wergo erschien die CD-Reihe „Edition Musikfabrik“ mit Coverbildern von Gerhard Richter, die der Maler ausgewählt hat. 2014 wurde das eigene Label Musikfabrik gegründet.

 

Die Auseinandersetzung mit experimentellen Ausdrucksmöglichkeiten im Musik- und Performance-Bereich ist den Musiker*innen ein zentrales Anliegen. Interdisziplinäre Projekte unter Einbeziehung von Live-Elektronik, Tanz, Theater, Live- Video und bildender Kunst erweitern die herkömmliche Form des dirigierten Ensemblekonzerts.

Ensemble Musikfabrik hat es sich auch zur Aufgabe gemacht die jüngere Interpret*innen- und Komponist*innen-Generation zu fördern. Zentrale Initiativen sind „Studio Musikfabrik“ und „Adventure“, das seit 2019 in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln Projekte von Kompositionsstudierenden entwickelt und in vier jährlichen Konzertphasen vorstellt. Diese und andere pädagogische Maßnahmen bündelt das Ensemble unter dem Titel „Akademie Musikfabrik“.

Foto: Frederike Wetzels
Biographie

Yaron Deutsch

Yaron Deutsch (Tel Aviv, 1978) ist besonders für seine Arbeit im Bereich der zeitgenössischen Musik bekannt. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter des Quartetts Nikel und häufig zu Gast bei den bekanntesten europäischen Ensembles und Orchestern im Bereich der zeitgenössischen Musik. Er spielt regelmässig mit den Ensembles Klangforum Wien und Musikfabrik.

Als Solist trat er mit dem Israel Philharmonic Orchestra, der Los Angeles Philharmonic, der Philharmonie Luxembourg, dem Luzerner Sinfonieorchester, dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI (Turin), dem SWR Symphonieorchester und dem Radio-Symphonieorchester Wien auf. Er spielte unter den Dirigenten Sylvain Camberling, Titus Engel, Peter Eötvös, Zubin Mehta, Emilio Pomàrico, Peter Rundel und Ilan Volkov, um nur einige zu nennen.

Aufnahmen mit seinem Spiel sind bei den Labels Col Legno, Kairos, Neos, Sub Rosa und Wergo erhältlich.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit ist er Dozent der Gitarrenklasse bei den Darmstädter Ferienkursen, ausserdem kuratiert und leitet er seit 2010 das internationale Festival für zeitgenössische Kammermusik in Tel Aviv – “Tzlil Meudcan” (Hebräisch für: “aktueller Ton”).

Der GItarrist Yaron Deutsch, zu sehen ist er mit einer E-Gitarre.
Yaron Deutsch
© Markus Sepperer
Der GItarrist Yaron Deutsch, zu sehen ist er mit einer E-Gitarre.
Der GItarrist Yaron Deutsch, zu sehen ist er mit einer E-Gitarre.
On Demand

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Konzerte 1a
DasSpielDasLeben mit Gerald

Konzerte 1c
DasSpielDasLeben mit Patricia

Konzert 2 ERÖFFNUNGSKONZERT

Konzert 6
SEPHIROT

Konzert 8
LES MURS MEURENT AUSSI

Konzert 9
SOLO

Konzert 10
KAMMER-SPIELE 1

Konzert 11 STREICHQUARTETT

Konzert 12
KAMMER-SPIELE 2

Konzert 15
SUR REALITIES

Reportage

Attribute des Göttlichen

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Artist´s Message

Sarah Nemtsov

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Interview

Sarah Nemtsov

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Artist´s Message

Fünf fragen an Sarah Nemtsov

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